Lübecker Nachrichten vom 7. Januar 2003
Künstler zelebriert den Umgang mit dem Tod
Von Wolfgang Glombik
Bad Segeberg – Die Ausstellung „Körperwelten“
mit der Zurschaustellung von Leichen, eine öffentliche Obduktion in Großbritannien:
Die Auseinandersetzung mit dem Tod – besser – mit toten Körpern
und den sie umgebenden Tabus ist im Trend. Ganz anders nähert sich Lasse-Marc
Riek dem Thema Tod und der Vergänglichkeit. Er zelebrierte vor einem Jahr
im Rahmen einer Kunstaktion im Labyrinth eines Maisfeldes die Beisetzung von
Mumienkörpern. In der Bad Segeberger Villa Flath werden nun Relikte dieser
Performance ausgestellt.
Das liegt die bandagierte Figur, die Lasse-Marc Riek aus Gips, Lehm, Stoffen,
Pflanzenresten formte. Ein düsteres Bild, das zudem bei der sonntäglichen
Vernissage von den düsteren Klangbildern Costa Gröhns aus Hamburg
untermalt und gestützt wird. Da wurden unter anderem Krähenschreie
vom Segeberger See mit elektronischen Effekten verzerrt. Die seltsame Musik
kommt aus neuartigen Klangsäulen, verbreitet eine eigenartige Atmosphäre,
die die zahlreichen Besucher in der Villa Flath fesselt.
Dazu werden dicke, erdige Bilder von Riek gezeigt. Getrockneter, aufgeplatzter
Lehm – übermalt, geschichtet. Meist in grauen, beigen, braunen und
anderen erdigen Farben gehalten, hängen sie schwergewichtig an der Wand
oder liegen als Platten auf dem Boden der Villa. Verarbeitet wurden Naturmaterialen
mit Spachtel, Ästen, Tierkrallen, Steinen, Messern oder Händen. Manchmal
vergrub der Künstler, der seine Kindheit in Wahlstedt verbrachte, die Bilder
oder legte sie zeitweise in einen Bach. Kunst im Dialog mit der Natur.
Und den Dialog mit dem Tod: Staub zu Staub, Erde zu Erde – Mutter Erde,
heißt es, das Leben kommt aus ihr, stirbt, verwest und geht zu ihr zurück.
Ein Kreislauf. Auf Foto, per Video wird die Beerdigungszeremonie im Maisfeld
dokumentiert. Die Gräber blieben offen, nach sechs Wochen waren die Figuren
in den Gruben eingestaubt, die Dorfjugend hatte die Gräber „geschändet“,
eine Figur sogar weggeschleppt, erzählt Riek, der in Frankfurt am Main
arbeitet. Auch Tiere waren kurzzeitig in die Grube gefallen. Das alles gehörte
zu der Kunstaktion. Der 27-Jährige hat sich im Sozialarbeiterstudium mit
Totenforschung befasst. Wie trauern Menschen, wie gehen sie mit Toten um? Er
selbst half einmal, eine Leiche zu bergen, die schon länger im Wasser gelegen
hatte. „Ich musste mich übergeben – über den Toten.“
Der heutige Umgang mit der Trauer und mit den Leichen zeigte Entfremdung. Trauerfeiern
würden fast militärisch und steril nach festgelegten, distanzierten
Abläufen organisiert. Und beim „Leichenschmaus“ werde schon
wieder über Steuertricks geredet. Das eigentliche Thema Tod bleibe totgeschwiegen.