12.04.2003

Der Bewegungsdrang der Sehnsucht
Ausstellung im Haus am Schüberg

Ammersbek (kg). „Stellen Sie ihre Handys bitte nicht aus!“ Äste liegen am Boden, daneben eine Arbeit des Künstlers Roger Rigorth, ein Schiff aus Holz. Am Ende der segellosen Masten Goldpapier, die Spitzen umwickelnd. „Uns ist jeder Laut recht“. Malerei und Skulpturen kündigen Lasse-Marc Riek und Roger Rigorth an, die beide zurzeit im Frankfurter Raum leben und arbeiten, und beginnen mit Ihrer Performance zur Vernissage im Haus am Schüberg. Improvisierte Musik, Stöcke werden zerbrochen, Laute in die Luft geworfen, die zu Boden fallen. Verwirrung unter den Zuschauern, als weitere dünne Äste verteilt werden. „Wir sind gespannt auf ihre Geräusche.“ Der kleinen Jolanda fällt die Trinkflasche aus der Hand und reißt ein Loch in die Stille. Erste Besucher beginnen das Holz zu zerbrechen, das ihnen die Künstler anvertraut hatten.
Heute erhielt ich eine Nachricht per E-Mail“, so Lasse-Marc Riek, „ein bekannter ist gestorben“. Zurück zu den ursprünglichen Geräuschen, Hinhören im Überfluss der Medien-Geräuschkulisse zu dem was unser Leben ausmacht? „Ich freue mich jeden Morgen über das zurren der Kaffeemaschine in meiner Wohngemeinschaft.“ Roger Rigorths Skulpturen haben alle etwas mit Bewegung zu tun. Der Bewegungsdrang der Sehnsucht. Fernweh, Unwohlsein, ewige Sehnsucht stehen im Vordergrund seiner Arbeiten. Das aufgebockte Schiff, das kein Wasser unter dem Rumpf spürt, als eigener Körper, das Gold ganz oben an seinen Masten wie die Seele, umwickelt. „Zeit ist ein großer Faktor“ so die Künstler, „Warten auf den Tod, auf die Geburt und auf das was dazwischen liegt.“ Warum würden wir noch aufstehen, wenn wir schon alles hätten? Ist es nicht es nicht die Liebe zu den Dingen? „Trockenzeit“ nennt Roger Rigorth seine Schiffe. Ein „Erdbild“ aus trockenem Boden, wie Lehm, zeigt Lasse-Marc Riek. Sie sind seit langem befreundet und stellen das erste Mal zusammen aus. Fast wie sich zu ergänzen, Harmonie durch ihre Werke entstehen lassen. „Wir brauchen wieder Rituale im Alltag, um mit den Ängsten umzugehen“, in einer Zeit, in der die Natur dem Ursprung entfremdet werden soll, schnelle bunte Bilder in den Medien an uns vorbei flimmern, leise Geräusche untergehen im Getöse der Großstadt, das Zerbrechen von Ästen schon der Vergangenheit anzugehören scheint? Das Erlebnis Natur und ein Versuch der Künstler, die Schönheit festzuhalten, den vertrockneten Lehmboden wieder zum Leben zu erwecken in unseren entfremdeten Gedanken, der Versuch Bilder neu in uns zu malen, die einmal selbstverständlich waren?
Diese faszinierende Ausstellung im Haus am Schüberg, die viele Besucher mit einem großen Gefühl der Sehnsucht verlassen werden, ist noch bis zum 24. Mai in Ammersbeck zu sehen.

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