Segeberger Zeitung vom 14.07.2003

Bei Fledermäusen auf Stimmenfang
Der Wahlstedter Lasse-Marc Riek sammelt Laute für ungewöhnliche Musik

Bad Segeberg (pjm) Ein Stimmen-Detektor für Fledermäuse und ein daran gekoppelter Digitalrecorder werden in den Abendhimmel über der Kalkbergstadt gereckt. „Da in dem Haus mit der gelben Lampe sind welche“, erklärt Stefan Lüders von der Landesstelle für Fledermausschutz und Forschung seinem Kollegen Matthias Göttsche und dem Künstler Lasse-Marc Riek aus Wahlstedt. Doch der Detektor bleibt stumm. Noch ist es zu früh für die „Kobolde der Nacht“, wie die geflügelten Säugetiere poetische genannt werden.
Poesie hat auch den Künstler und die beiden Wissenschaftler zusammengebracht. „Die Fledermäuse machen teilweise tolle Töne – aber wir Naturschützer sind etwas dröge für künstlerische Ideen, für uns gehören die Stimmen einfach zur Feldforschung und Naturbeobachtungen“, meint Göttsche. Anhand dieser Stimmen können beispielsweise die Arten bestimmt und die Flugrouten beobachtet werden. Dazu werden die Töne der Tiere, die im für menschliche Ohren nicht mehr hörbaren Bereich liegen, um das Zehnfache gedehnt, also langsam gemacht. Das Ereignis sind Klickgeräusche, aber auch Gezwitscher, das an Vogelstimmen erinnert.
„Es gibt Fanggeräusche beim Jagen auf Insekten, aber auch Soziallaute – das sind richtige Gesänge“, berichtet Göttsche der Riek schon früher entstandene Aufnahmen vorspielt. Etwa 120 Minuten haben die Fledermausforscher schon auf dem Band aufgezeichnet.
Für Riek sind die Klänge Rohmaterial für seine künstlerische Arbeit. Ähnlich wie er schon in der bildenden Kunst auf natürliche Materialien wie Erde und Pflanzenteile zurückgreift, will er in seinen musikalischen Arbeiten auch Naturtöne verwenden. Diese Idee verfolgt der Wahlstedter schon länger. Unter dem Titel „ Wahlstedt“ hat er bereits eine CD mit Geräuschen und deren Bearbeitungen veröffentlicht.
Der Einfall, bei den Fledermäusen auf Stimmenfang zu gehen, kam ihm während Spaziergängen am Großen Segeberger See, wo er die Tiere immer wieder sah. Riek wurde auch von den inzwischen populären Walgesängen inspiriert- aber: „Delphine und Buckelwale gibt es schließlich nicht an Land oder im Ihlsee“, meint der Künstler schmunzelnd, der die Zusammenarbeit mit dem Naturschutzbund gesucht hat.
Wie das Resultat aussehen wird, ist noch offen. Was er vorhat, weiß Riek dagegen schon recht konkret: Er will die Klänge in Noten fassen und daraus Neues komponieren. Dazu werden die Klänge auch auf elektronische Wege bearbeitet. „Das Ergebnis ist manchmal sehr abstrakt, und das möchte sich nicht jeder anhören“, meint Riek selbstkritisch.
Ähnlich wie bei den Walgesängen – die Meeressäuger sind nicht zuletzt dadurch zu Sympathieträgern geworden – könnten auch die bisweilen immer noch als Vampire diffamierten Fledertiere als Sangeskünstler beliebt werden, hofft Riek. Zur diesjährigen Nacht der Fledermäuse am Sonntag, 31. August, will Riek seine Bearbeitungen vorstellen.

 

Lübecker Nachrichten vom 02.09.2003

„Da ist richtige Musikalität drin“
Klanginstallationen von Lasse-Marc Riek mit Fledermauslauten
Von Christian Spreer

Bad Segeberg – Dröhnen, Schnarchen, Fiepsen, Pfeifen, Schnalzen, Rattern und Rauschen – so eine Vorführung erlebt Bad Segeberg nicht alle Tage: Der Künstler Lasse-Marc Riek hat am Fledermaustag am Sonntag eine Klanginstallation präsentiert, die die Zuschauer annäherungsweise ahnen lässt, wie Fledermäuse kommunizieren.
Annährungsweise aus zwei Gründen: Zum einen sind Fledermauslaute für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbar. Mit technischer Hilfe lassen sich ihre Jagt- und Soziallaute aber „hörbar“ machen. Wenn die Aneinanderreihung ihrer Töne zudem zeitlich gedehnt wird, hören sie sich beinahe wie Vogelgezwitscher an. Zum andern zeitlich hat Riek, der mit Experten des Naturschutzbundes im Wald auf „Fledermausstimmenfang“ war, aber nicht nur abgespielt, was er aufgenommen hat. Stattdessen hat er Nebengeräusche, wie das Rauschen eines Baches, menschliche Sprache, Hammerschläge und so weiter, mit eingebaut und zu einer Collage zusammengestellt.
Am Sonntag wollten das 35 Besucher im Bürgersaal hören. Ohne einführende Erklärung hat Riek vor allem Jagdlaute („da ist richtige Musikalität drin“) von mehreren Cds vorgeführt. Irgendwie ganz interessant war das halbstündige „Konzert“. Freilich waren die Zuhörer allein mit dem, was sie hörten. Was sagte es ihnen? Wäre es nicht sinnvoller gewesen, ihnen zuvor zu erklären, in welchem Zusammenhang die Töne aufgezeichnet wurden? Welchen Erkenntnisgewinn hatten sie? Muss es den überhaupt geben? Was soll das eigentlich?
Er wolle „Assoziationen freisetzten“, keine Unterhaltungsmusik machen, sagte der 28-jährige Bad Segeberger hinterher der LN. Das Publikum habe er bewusst nicht vorbereitet. „Ich wollte das nicht zu didaktisch machen. Einfach abspielen – und dann mal sehen.“

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